Seit der bahnbrechenden Entdeckung der Pindar-Ubertragungen sowie der unbekannten Hymnen Holderlins durch Norbert von Hellingrath verandert sich Georges Holderlin-Bild schlagartig. War Holderlin noch um 1900 von George als romantischer Dichter aufgefasst, so beginnt er ab 1910 zum Seherdichter zu avancieren. Hellingrath bezeichnet Holderlin als “Vates”, als Retter, der die Menschen und die Gotter aussohnt. An dieser Entdeckung des hymnisch-visionaren Holderlin waren George und sein Kreis maßgeblich beteiligt. Das neue Holderlin-Bild, das George dann Zug um Zug enthullt hatte, zeigt sich zunachst im Stern des Bundes (1914). Hier macht sich George Holderlin als Propheten seines Maximin-Kultes und seiner Verehrergemeinde zu eigen. Somit verfolgt George mit seiner Kanonisierung Holderlins zwei Ziele: zum einen wird Holderlin als die neue Kultfigur mit dem vergotterten Maximin verknupft, damit dem Maximin-Kult des Georgekreises mehr Geltung verschaffen wird, zum anderen tragt die Kanonisierung Holderlins zur Konsolidierung des George-Kreises bei. Das kulturpolitische Kalkul, das Georges Ruckgriff auf Holderlin leitete, zeigt sich in der Stilisierung Holderlins zu einem Priesterdichter, zum Kunder des “geheimen Deutschland”. Dadurch lasst sich eine elitare Verheißungslinie stiften, und Georges Verehrergemeinde um Maximin kann sich als einzig legitime Erben Holderlins prasentieren. Damit wird der Boden vorbereitet fur Georges Wendung zum Nationalen mittels Holderlin, die in seinem letzten Gedichtband Das Neue Reich (1928) deutlich zm Zuge kommen wird.