Die Expressionisten verfassten bei gleichzeitiger Bewunderung Parodien auf Dichtervorbilder der klassischen Moderne. Denn diese sind einerseits verehrte Vorbilder, aber andererseits lebende arrivierte Rivalen, die das dichterische Selbstwertgefühl der expressionistischen Avantgarde beeinträchtigten. Diese Ambivalenz gilt besonders den Vertretern der Wiener Moderne. In den Anfängen des Berliner Frühexpressionismus verständigten sich die Mitglieder des Neuen Clubs zwar auf Hofmannsthal als Vorbilder, der für die literarische Avantgarde um 1910 Maßstab in literarästhetischen Geschmacksfragen war. Aber im Jahre 1911/12, wo sich manche Mitglieder des Clubs dem “Sturm”-Kreis oder der “Aktion” anschlossen, distanzierten sich die Berliner Expressionisten zunehmend von Hofmannsthal und der Wiener Moderne. Die parodistische Entweihung vermittelt diese beiden Stadien.
Die Parodien gründen sich in dem Bestreben der expressionistischen Avantgarde, die Unzeitgemäßheit der neuklassischen Moderne zu entlarven, um sich ihrer als überholter Stilmuster zu entledigen. Dazu wandte man mit Vorliebe die stilistischen Eigenheiten der Vorbilder auf triviale Alltagssituationen an, um sie als bloße Masche aufzudecken. Georg Heym etwa erprobt in einem szenischen Fragment parodistisch typische Stilmittel Hofmannsthals und der Wiener Moderne.
Alfred Lichtensteins Gedicht Komisches Lied ist eine lyrische Parodie auf Felix Dörmanns Was ich liebe, das berühmteste Gedicht der Wiener Moderne, zeigt das formale Ungenügen der Jung-Wiener. Er münzt Dörmanns Verabsolutierung der ästhetischen Reize vital und drastisch um, macht aus dessen Bekenntnis zu raffiniert-dekadenter Ästhetik ein Bekenntnis zur unvermittelten Vitalität des Lebens. Lichtensteins Parodie ist somit ein Beispiel dafür, dass die Parodie einen wesentlichen Beitrag zur poetischen Selbstfindung leistet.