Wie viele der Expressionisten hat sich der frühe Gottfried Benn nicht von Anfang an gegen den Ästhetizismus der klassischen Moderne, die um die Jahrhundertwende als die literarische Norm galt, gewandt, sondern zunächst ihre Themen und Ausdrucksformen übernommen. Vor allem die Einflüsse von Stefan George, der als Überwinder der Dekadenz anerkannt und von vielen Expressionisten verehrt wurde, sind in seinen ersten Gedichten deutlich erkennbar. Erst die Abkehr von dem einstigen Vorbild George ermöglichte ihm den Durchbruch zum Stil der Morgue, die seine expressionistische Phase einleitet. Sein Gedicht Man und Frau gehn durch die Krebsbaracke, das bekannteste aus dem Zyklus, zeigt anschaulich, wie er über die intensive Auseinandersetzung mit George zu einer eigenen Poetik und Sprache findet. Im Gegensatz zum Gedicht Herbst, das die beginnende Distanzierung vom einstigen Vorbild in einer sehr verborgenen Weise zum Ausdruck bringt, ist die Krebsbaracke eine brutale Demolierung von dessen ästhetischen sowie weltanschaulichen Konzept. Das Gedicht, das als eine parodistische Nachbildung im Sinne einer allgemeinen Imitation von Motivik, Metaphorik, Vokabular und Prosodik von Georges Herbstgedicht anzusehen ist, zeugt von einem ausdrücklich destruktiven Antrieb, mit dem Benn aus der Übergangsschönheit im Referenztext einen Verfall macht. Benn stellt den abstrakten ästhetischen Werten aus Farben Körperliches entgegen, das unter der Perspektive des physischen Verfalls präsentiert wird. Dieses poetische Verfahren, das kurz als die Technik von Hässlichkeit, Brutalität und eben Körperlichkeit zusammenzufassen ist, entwickelt sich im Lauf des Gedichts zu einem expressionistischen Stil, der sich besonders in harten Fügungen in den letzten drei Strophen sichtbar macht. Gegen den willkürlichen Akt der Ausgrenzung Georges, der aus seinem poetischen Bild alles ausklammert, was ihm nicht der Ästhetisierung würdig scheint, wird in Benns Krebsbaracke eine Pose als Überwinder der Décadence im Sinne Nietzsches sichtbar, nämlich dass man sich dem Leben stellen soll, obwohl es grausam ist, da es nur um das materielle Gesetz des Kreislaufs geht. Dieses neue Lebenspathos ist zugleich die Umdefinition des Dichtungsverständnisses, dass die Kunst nur aus dem entschiedenen Lebenspathos zu gewinnen sei.