Den schöpferischen Bereichen des gesamten künstlerischen Schaffens Ernst Barlachs, dem schriftstellerischen sowie graphischen Werk, liegen ähnliche künstlerische Strukturen und motivisch aufgefaßte Inhalte zugrunde. Im Fall der Illustrationen eigener literarischer Texte verbindet er seine schriftstellerische Produktivität mit bildhaften Vorstellungen. Beide Bereiche treten hier in eine fruchtbare Wechselwirkung miteinander ein. Ernst Barlach wählt für die Lithographien zu seinem Drama Der arme Vetter(1919) eine zeitgenössische Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit zeigt sich besonders in detailreichen Einzelheiten der Illustrationen, welche mit großer Milieutreue der damaligen Zeit entnommen sind. Dennoch spielt die Handlung abwechselnd oder parallel in den beiden Dimension der Dichtung, dem Diesseitigen und dem Jenseitigen. Realistische Darstellungen wechseln mit transzendenten, überrealistischen. Der gesamten Konstruktion des Dramentextes sowie der Illustrationen liegt diese konzeptionelle gegensätzliche Struktur zugrunde. Die Trennung von Dramenfiguren ist ebenfalls festzustellen. Die Personen in beiden Ebenen, die einen, die auf die geistige, ideelle Sphäre ausgerichtet sind, und die anderen, die in die empirische Realwelt gehören,unterscheiden sich in ihrem Bezug zu einer transzendenten Instanz. In der Thematik des Dramas sind schließlich Barlachs eigene komplexe Existenzprobleme erkennbar. Diese finden ihren Niederschlag in der Qualität der Illustrationen, in dem prägnanten Ausdruck der Atmosphäre und der Figuren in den einzelnen Zeichnungen sowie in der Geschlossenheit des gesamten graphischen Zyklus.