Seit der Aufklärung versuchten die Westjuden, anders als die Ostjuden, sich in die westliche Kultur und Gesellschaft zu assimilieren. Diese Assimilation im 19. und 20. Jahrhundert kann man nicht nur auf der religiösen, gesellschaftlichen oder kulturellen Ebene, sondern auch auf der körperlichen Ebene feststellen. Diese erfolgte unter anderem durch Gymnastik oder Chirurgie oder zunehmende Mischheiraten, die die sichtbare Differenzierung der Juden von den ‘Ariern’ erschwerte und ihre Zugehörigkeit erhöhte. Diese Annährung hat deutsche Rassengeographie enorm verändert und die klare Grenzziehungen in Frage gestellt. Jedoch diese Angleichung verursachte bei der deutschen Mehrheitsgesellschaft grosse Xenophobie und führte zur Verbreitung von rassistischen Theorien, die diese Realität negierten und behaupteten, die Rassen wissenchschaftlich klar unterschieden zu können.
Der vorliegende Beitrag versucht, anhand der Betrachtung der Rassentheorie und einiger autobiographischer jüdischer Texte die Koexistenz von Assimilation und Antisemitismus zu beschreiben und analysieren. So stellen etwa Walter Rathenau und Jacob Wasserman in ihren Texten Höre Israel! und Mein Weg als Deutscher und Jude dar, mit wieviel Mühe sie sich in die deutsche Gesellschaft assimillierten, als deutsch-jüdisch identifizierten, wie sie trotzdem unter Antisemitismus litten und als jüdische Fremde von der Gesellschaft abgelehnt wurden. Die Dialektik von Sichtbarkeit und Zugehörigkeit der Westjuden endete mit der Tragödie des Dritten Reichs, das diese Assimilation zunichte machte und sie wieder als Juden definierte. Bei der Analyse wird der Text von Sally Perel Ich war Hitlerjunge Salomon als seltenes Beispiel von passing betrachtet. Der Begriff ‘passing’ stammt ursprünglich aus dem Bereich der angloamerikanischen Rassen- oder Schwarzstudien, wo er dazu genutzt wird, den Glauben an rassistische Reinheit und Differenzierung zu problematisieren und zu kritisieren. Gemeinsam ist den amerikanischen passing-Romanen und der deutschen Autobiographie, dass der Versuch des passing eine große Gefahr bedeutete, so dass dessen Entdeckung oft zum Tod führt. Zu unterscheiden sind die Motive für diesen Versuch, da er in Amerika mit dem Wunsch nach einem besseren oder normalen Leben wie die Weissen begründet war, während er in Perels Fall von der bevorstehenden Todesgefahr zwangsweise motiviert wurde.
Diese historischen Beispiele könnten heutzutage ebenfalls von Bedeutung sein, wenn man berücksichtigt, dass die grenzübergreifende Bewegung und Migration nicht nur Chancen und Freiheiten sondern auch rassenbezügliche Xenophobie herbeiführen. Eine globale Gefahr, die man nicht gerne wahrnehmen will.